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Alpe d'HuZes 2012, NL-Charityveranstaltung am Alpe d'Huez
Ein zweisprachiger Bericht über eine einzigartige Veranstaltung
An einem sonnigen Wochenendtag ende Mai rausche ich auf meinem Crosser in den Garten meiner Eltern. Überraschung, sie haben Besuch aus der Heimat, darunter meine allererste Lehrerin, "Juf" Bagerman van de kleuterschool (kindergarten). Große Freude, holländisch herzliche Begrüßung und Gebabbel und auch sofort: "Jij gaat de Alpe d'HuZes meedoen?" (Du machst bei Alpe d'HuZes mit?)
Alpe d'HuZes ist in den Niederlanden eine sehr angesehene Veranstaltung. Genau so bekannt wie z. B. die Elfstedentocht, Vierdaagse Nijmegen oder Amstel Gold Race. Nur ist Alpe d'HuZes anders, eine Charityveranstaltung zugunsten der niederländischen Krebsbekämpfung die am Alpe d'Huez (der Holländerberg) stattfindet. "Zes" steht für das Entstehungsjahr 2006 (6=Zes) sowie das Ziel, an einem Tag 6x hochzufahren. Leiden als Solidaritätbekundung. Leiden um das eigene Leid herauszutreten. Leiden für die Gute Sache.
Ich bin Niederländerin und habe einen niederländischen Arbeitgeber. An dieser Veranstaltung möchten wir mit einem Firmenteam teilnehmen. Unser Chef hat zugesagt, den Mindestbeitrag (kleinste 5stellige Zahl) zu sponsern. Chef zählt sich zu den Glücklichen, die geheilt aus einer Krebserkrankung hervorgegangen sind.
Bei Alpe d'HuZes sind die Startplätze so begehrt, dass wir uns kurz nach Freischaltung der Anmeldung auf Platz 154 der Warteliste wiederfinden. Unglaublich. Die Veranstalter sind überwältigt. Es wird überlegt und verhandelt, am Ende springt ein zweiter Alpe d'HuZes-Tag dabei heraus. Nun sind wir drin, dürfen an dem extra Tag mit 3.000 Mitstreiter auf den für uns gesperrten Berg. Leider wird uns nicht ganz soviel Zeit gewährt wie am Haupttag mit 5.000 Starter. Wir dürfen nur von 10:00 bis 16:00 Uhr auf die Strecke, statt von 6:00 - 18:00 Uhr. Den Anstieg 6x zu schaffen, ist somit unerreichbar. Wenn ich es schaffe bis 16:00 nochmal unten zu sein, dann vielleicht 4x. Aber das ist auch nicht so wichtig.
Montagfrüh 04.06.2012. Auf nach Frankreich. Um 9:00 Uhr holt mein Kollege mich ab. Ca. 1.250 km sind erstmal mit dem Auto zu bewältigen. In der Schweiz tauchen die ersten beschneiten Bergkuppen auf, ich bin begeistert. Bei Grenoble verlassen wir die Autobahn und geht es hinein in die Französischen Alpen. Leider ist es nun schon dunkel, ich sehe nur die schmale Straße, die wild um die Berge schlingert. Kollege freut sich, dass das monotone Autobahngefahre ein Ende hat und genießt die Kurverei. Ich bin froh, als wir unser Ferienhäuschen auf 1.365 Meter Höhe am Col d'Ornon erreichen. Die niederländischen Kollegen sind schon alle da, das Feuer im Kamin lodert, der Rotwein steht auf den Tisch.....
Der Dienstag wird zur Erholung genutzt, nur mal 'n bisschen auf den Col d'Ornon hin und herradeln, nicht schon am Vortag alle Körnchen verpulvern. Landschaft genießen, Foto's machen, seelisch vorbereiten.
Mittwoch, der 6. Juni. Unser großer Tag fängt gut an: Ein fetter Regenschauer macht unsere Abfahrt vom Haus zum Startort gleich zur großen Herausforderung. Wir müssen uns jetzt schon das Motto dieser Veranstaltung vor Augen halten: Aufgeben ist keine Option! Wer an Krebs erkrankt ist, kann seine Behandlung auch nicht stoppen, nur weil die Schuhe vollgelaufen und die Laune dadurch nicht die Beste ist.
Durchnässt und kalt erreichen wir das Dörfchen Bourg d’Oisans auf 760 Meter am Fuße der Alpe d'Huez, und.... es hört auf zu regnen! Auf einer kleinen Nebenstraße stellen wir uns auf. Es herrscht eine entspannte Atmosphäre, keine Wettkampfaufregung, kein Muskelgezucke. Ich wringe einige Liter Wasser aus meine Socken. Eine La-Ola-Welle kommt regelmäßig, mal von vorne, mal von hinten vorbei: oooooohOOOOOOH!!!hooooo. Ein Geburtstagskind neben uns bekommt ein Ständchen, der Kreis der Miteinstimmenden breitet sich nach beide Seiten aus und am Ende ertönt ein lautes "Hiep-hiep? Hoeraaaa!" mit Applaus durch die ganze Straße. Positive Stimmung.
10:15 Uhr dann: Es geht los. Die Menge kommt langsam in Bewegung und fährt durch den mit Zuschauer gesäumten Orstkern. Wir bekommen "stillen" Applaus, im ruhigen Takt mit der hohlen Hand geklatscht... ergriffen fahren wir in den Berg hinein. Für uns selbst, für andere, für die Stiftung.
Nach ca. 1,5 km beginnt der 13,8 km lange Anstieg. Die ersten 4 km sind im Schnitt etwa 10 % steil und ich habe mir im Vorfeld, wegen der Länge, Gedanken gemacht. In den Kurven hier ein ganz anderes Bild als im Ort. Wir werden angefeuert, bejubelt, besungen. Mein Name (Namensschild) wird gerufen, mit holländischer Zunge. Wie schön. Die ersten 4 km trägt mich die Atmosphäre den Berg hoch.
Danach wird es etwas weniger steil und ich fange mal an zu gucken. Die Menschen, die hier fahren, sind sehr unterschiedlich. Jung und alt, trainiert bzw. nur auf diesen Tag hintrainiert, schlank und übergewichtig. Sie fahren Rennrad, Mountainbike, Trekkingrad, sogar mit Kindanhänger. Aber alle gemeinsam für die gleiche Sache. Manche haben Bilder von ihren Lieben, für die sie fahren, auf dem Rücken oder vorne am Rad. Neben dem Hauptsponsorenbeitrag sollte jeder Teilnehmer dieser Veranstaltung versuchen soviel Sponsorengeld wie möglich auf seinen Namen zu sammeln. Ich werde u. a. gesponsert von einer Tante. Ihr Mann, ehemaliger Marathonläufer, ist jetzt schon jahrelang an Leukämie erkrankt. Jah-re-lang. Unterwegs sehe ich ein Banner: "John, jij hoeft alleen maar te trappen.....voor Carla"......John braucht nur zu treten. Ich brauche nur zu treten.....ein leichtes brennen in den Augen....treten....
Die letzten 6 Kehren vor dem Zielpunkt werden genossen, sowohl von der Stimmung, als auch wegen der Landschaft. Bei der Zielankunft auf 1.850 Meter herrscht ausgelassene Stimmung. Laute Musik. Verkleidete Moderatorinnen. Unmengen von Menschen sind hier. Wo kommen die alle her? Ich halte kurz an zum Verschnaufen, trinke, beiße vom Riegel ab und ziehe mein Windjäckchen an. Vor der Abfahrt habe ich ein wenig Bedenken. Während ich beim Aufstieg die 21 Kehren nicht mitgezählt habe, tue ich das bei der Abfahrt sehr wohl. Ich bremse viel und....pFFFFFFFttt, wieder mal platt. Schade. Durch die Schlauchwechselpause ist das 4x Bergbezwingvorhaben gescheitert, dafür reicht die Zeit dann nicht mehr. Heile unten angekommen gibt es am Wendepunkt weiche braune niederländische Brötchen und Isodrink. Jäckchen ausgezogen, kurz durchgeatmet und "hup!", wieder rauf auf die Alpe!
Ich bin jetzt entspannter, denn ich weiss ja nun was kommt. Die Zeit für 3x Alpe d'Huez reicht locker. Vor mir kurbelt ein Team mit dem Namen "Longartsen tegen kanker", so steht es auf dem Trikot, Lungenärzte gegen Krebs... Beim Radservice halte ich an, um einen neuen Schlauch für die nächste Abfahrt zu kaufen. Luft und ein geselliges Schwätzchen gibt es umsonst dazu. Ich bekomme die Erklärung für meine Platten in der letzten Zeit: Angstbremser, Felge heiß, Speichen heiß, plastic Felgenband schmilzt und peng. So ist das. Lösung: Felgenband aus Leinen. Oder nicht bremsen....
Beim zweiten Mal oben angekommen, halte ich mich gar nicht lange auf, sondern stürze mich gleich in die Abfahrt. Diesmal dann halt ohne zu bremsen......nee, Späßchen, aber schon weniger bremsen. Die Straße ist trocken, es geht gut und kickt. Dann fährt vor mir eine größere Gruppe, ein Begleitmotorrad daneben. In der nächsten Kehre wird ein Fahrer aus der Gruppe zum Anhalten aufgefordert und Streckenposten zur Beobachtung übergeben. Der Mann bricht erschöpft weinend über seinen Lenker zusammen. Er tut mir leid. Ein paar Kurven weiter steht ein drahtiger älterer Herr, das Gesicht schmerzverzerrt, mit Krämpfe an der Felswand gelehnt. Er wird vom Krankenwagen abgeholt. Aufhören, wenn nichts mehr geht, ist nicht gleich Aufgeben.
Der dritte Anstieg. Ich merke die Anstrengung, fahre unflüssiger. Halte zwischendurch mal an, um die Fernsichten in mir aufzunehmen und zu fotografieren. Spiele mit den Zuschauern indem ich sie knipse. "Kijk eens! Ze pakt ons terug!" oder "Als je daar nog tijd voor hebt dan kom je nog wel een keertje langs!". Eine lustige Wechselwirkung. Auch nehme mir jetzt die Zeit die Kehren genauer anzusehen. Die sind durchnummeriert und Tour-Etappensieger gewidmet. Die unterste (erste) Kehre hat die Nr. 21, nach oben hin wird runtergezählt, damit man weiß, wie viele noch kommen. Im Zielort Alpe 'd Huez gibt es neuerdings auch Kehre 0, Bas Mulder gewidmet, 24-jährig an Lymphdrüsenkrebs gestorben. Trotz Erkrankung ist er in den Jahren 2007 bis 2010 bei Alpe d'HuZes mitgefahren. Kein Tourheld, ein Alpe d'HuZesheld.
Nach den letzten Anstieg oben angekommen finde ich im Gewusel erstaunlich schnell meine Kollegen. Wir umarmen und gratulieren, freuen uns über unsere Leistung und darüber, dabei gewesen zu sein. Wir sehen viele Leute in weinender Umarmungen stehen und nehmen es bewusst in uns auf. Emotionen dürfen raus. Das ist Alpe d'HuZes: Ohnmacht in Kraft umwandeln. Gedenken an Menschen, die zu früh wegen Krankheit sterben mussten. Inspiration für Menschen die einen Kampf führen, das eigene Leben trotz alledem positiv weiterleben. "Vier je leven", feier dein Leben. Es ist ein Geschenk.
Als Team haben wir einen Betrag eingefahren auf den wir stolz sind. Die Stiftung wird Ihr diesjähriges Spendenziel von 30 Millionen Euro schaffen, 28,5 Millionen sind schon erreicht. Großartige Alpe d'HuZes. Meine Hochachtung. http://www.opgevenisgeenoptie.nl/
Dank an Familie und Freunde die mich gesponsert haben. Es hat mir viel bedeutet.
Heel veel sterkte naar Zwolle, Borculo, Walsrode....
Anneke
Fotoalbum: https://picasaweb.google.com/1138291163 ... DHuZes2012
Alpe d'HuZes '12, NL-Charityveranstaltung (Bericht+Bilder)
Alpe d'HuZes '12, NL-Charityveranstaltung (Bericht+Bilder)
Zuletzt geändert von Johanna am 09.12.2013, 15:23, insgesamt 3-mal geändert.
Mooi Mooi Mooi
Need I say more? Prachtig verhaal Anneke, respect voor de manier hoe je het verwoord.
Ben trots op je!
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