HPV Rekordwochenende auf dem DEKRA Testoval (Bericht+Bilder)

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Speedmanager
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HPV Rekordwochenende auf dem DEKRA Testoval (Bericht+Bilder)

Beitragvon Speedmanager » 02.08.2012, 22:06

HPV Rekordwochenende 2012 auf dem DEKRA Testoval
Bericht aus einer ganz anderen Welt des Radsports


Das DEKRA-Testoval in direkter Nachbarschaft zum Lausitzring: 2 endlos lange Geraden.

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Und 2 in riesigen Radien verlaufende Steilkurven.

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Hier veranstaltete der HPV (Human Powered Vehicles) e.V. Deutschland seine alljährlichen Weltrekordversuche, zu denen sich regelmäßig ein internationales Starterfeld einfindet. Die Namen der Rekordfahrer sind außerhalb er Szene eher nicht bekannt, die dazugehörigen Leistungen aber umso beeindruckender. So wollte Barbara Buatios, Weltrekordhalterin über 200 m (121,81 km/h) und über eine Stunde (84,02 km/h), sich an den 12 und 24 Stunden Weltrekorden versuchen. Dass sie schnell sein würde, war eigentlich klar. Nur ob sie es in ihrem Rekordfahrzeug so lange würde aushalten können, war die große Frage.

Aber auch zu den Nicht-Weltrekordlern gab es interessante Geschichten: Kirsten Niederlein wurde von ihrem Lebensgefährten, einem der Geschäftsführer des Räderwerks in Hannover, in den Milan eines Mitarbeiters gesetzt und sollte den 12- bzw. 24-Stunden Weltrekord angreifen.

Bernd Paul, bekannt als bärenstarker Langstrecken-Rennradfahrer (u. a. Sieger der 24-Stunden Rad am Ring und des Race around Ireland 2010), hatte nach dem 24-Stunden Rennen im dänischen Middelfart Anfang Juni im Velomobilforum nach dem für ihn besten Velomobil erkundigt. Prompt wurden ihm verschiedene geliehen, auf denen er dann begann zu trainieren. Und in einem dieser „Leihfahrzeuge“ wollte er nun, nach noch nicht einmal 2-monatiger Umgewöhnungszeit, einen neuen 24-Stunden Weltrekord in Angriff nehmen.

Charles Henry aus der Schweiz wollte einen neuen Weltrekord über 6 Stunden in Angriff nehmen, was bei einem bestehenden Rekord von 62,58 km/h schon ein engagiertes Unterfangen ist, und darauf aufbauend sich auch den 12 Stunden versuchen.

Ich konnte aufgrund anderer Verpflichtungen am Samstag erst später anreisen. Als ich gegen 21.30 Uhr, rechtzeitig zum Einbruch der Nacht, das DEKRA-Testoval erreichte, waren zu meiner Verblüffung nur 2 Fahrzeuge unterwegs. Wie ich erfuhr, hatte Barbara Buatois ihren Rekordversuch bereits abgebrochen, da die an ihrer Rennzigarre installierte Videokamera nicht zuverlässig arbeitete – und im Blindflug war an eine Fahrt nicht zu denken, an eine Rekordfahrt schon gar nicht. Jedenfalls sollte das Fahrzeug modifiziert werden und sollte am nächsten Tag evtl. noch den 6 Stunden Weltrekord angreifen. Ein kurzer Versuch, die Videokamera zu ersetzen, wurde wegen aerodynamischer Nachteile wieder verworfen. ;)

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Auch Charles Henry hatte schon abgebrochen, er war bis dahin zwar im Rekordtempo unterwegs, allerdings beschlug ständig die Scheibe seiner Birk-Verkleidung und auch die Lichtanlage stellte zum Einbruch der Nacht den Betrieb ein. :(

Was blieb, waren das Go-One EvoK von Bernd Paul und der Milan SL von Kirsten Niederlein, übrigens waren beide Fahrzeuge für diesen Event von anderen Fahrern ausgeliehen. Man konnte auch mit geschlossenen Augen wissen, wer gerade an einem vorbeifuhr: Bernd hatte ein riesiges Kettenblatt mit 90 Zähnen montiert

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und fuhr niederfrequent mit kraftvollem Tritt – was am Abrollgeräusch des Hinterradreifens deutlich zu hören war. Währenddessen konnte man am Abrollgeräusch von Kirstens Milan bestenfalls mutmaßen, dass einer der Reifen einen leichten Höhenschlag haben müsste. Auch war der Geschwindigkeitsunterschied deutlich erkennbar. Kirsten fuhr einen Schnitt von knapp über 40 km/h, Bernd war mit knapp unter 60 km/h unterwegs – auf Weltrekordkurs waren aber beide.

Als ich nach einer kurzen Nachtruhe wieder zur Strecke marschierte, sah ich dann die Bescherung: Bernds EvoK stand im Fahrerlager und die Schweißspuren wurden gerade abgespült. :o

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Durch die kurze Vorbereitungszeit war es nicht gelungen, die Sitzposition gut genug auf Bernd abzustimmen, so dass er enorme Sitzbeschwerden bekam. Dazu gesellten sich Verdauungsprobleme und Krämpfe, letztendlich sah er keine Chance mehr, das nötige Tempo für die verbleibende Zeit durchzuhalten und brach den Versuch ab. Er will es aber im nächsten Jahr noch einmal versuchen – dann aber in einem eigenen VM.

Währenddessen zog Kirsten einsam ihre Runden auf dem riesigen Oval – unspektakulär, aber zuverlässig wie ein schweizer Uhrwerk. Unterbrochen lediglich von einigen Boxenstopps, um Verpflegung und Getränke aufzunehmen. Aber auch diese Boxenstopps liefen ruhig und entspannt ab, keine Spur von Hektik und Nervosität.

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Bei Tagesanbruch unternahm dann Wulf Kraneis in dem wieder aufgebauten Milan SSL, der bei einem Frontalcrash von CAS im letzten Jahr fast völlig zerstört wurde, einen 12 Stunden Rekordversuch.

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Bemerkenswert an Wulfs Startvorbereitungen war besonderes das Verstauen von zwei riesigen Getränkecontainern im Fahrzeug. Auch Charles Henry startete wieder zu einem 6 Stunden Rekordversuch,

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wie auch Jan van Steeg mit seinem Cygnus – auch dieses Fahrzeug war ursprünglich mit einer Videokamera und innenliegenden Monitor ausgestattet, wurde aber auf ein Periskop umgerüstet. Montage der Steuer- und Antriebseinheit am Cygnus:

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Der Deckel mit dem Periskop:

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Endmontiert und in Fahrt:

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Auch die Startprozedur war „etwas“ aufwändiger – ein Skater musste das Fahrzeug aufrecht halten, bis es genügend Geschwindigkeit erreicht hatte, um einigermaßen geradeaus zu laufen.

Barbara Butois rollte zwar noch einmal mit ihrem Torso auf die Bahn, es zeigte sich aber schon nach einer Runde, dass auch die Modifikationen an der Verkleidung die Sicht nicht entscheidend verbessert hatten. So war an Schnellfahren jedenfalls nicht zu denken.

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Auch Sergey Dashewsky ging für einen Stunden-Rekordversuch auf die Strecke. Überhaupt war dieses russische Team sehr sympathisch und mit sehr viel „Herzblut“ bei der Sache. Auch reifere russische Herren werden geschmackvoll in ihre Fahrzeuge integriert:

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und mit Spurhilfe auf die Reise geschickt:

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Als technischen Leckerbissen hatten sie auch noch ein Eigenbau-Fahrrad mit zuschaltbarem Allrad-Antrieb dabei. Ob das im russischen Winter wirklich Vorteile bringt, sei einmal dahingestellt, aber eine interessante Spielerei ist es alle Mal. ;)

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Währenddessen hatte Kirsten mal so nebenbei ihren 12-Stunden Weltrekord unter Dach und Fach gebracht, unspektakulär wie ihr ganzer Auftritt. Wegen einsetzender Knieschmerzen war sie auch nicht mehr zu einem 24-Stunden Rekord zu überreden, obwohl ihr der wohl auch gelungen wäre.

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Wulf brach anschließend ab, weil er seine Leistung nicht aufrechterhalten konnte.

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Charles kam mit dem auffrischenden Winden nicht zurecht und auch Jan musste der nicht auf mehrstündige Dauerbelastung ausgelegten Kühlung seines Cygnus Tribut zollen.

Auch Sergey brach ab, sein Begleitfahrzeug fuhr wieder in die Boxengasse während er eine Auslaufrunde drehte. Die Observer in den Kurven wurden zurückbeordert und der Start-/Zielbereich für die 200 m Versuche präpariert. Irgendwann fiel dann auf, dass Sergey von seiner Auslaufrunde nicht zurückgekommen war. Er war im Kurvenbereich zu langsam geworden, wodurch seine „Bogensehne“ instabil wurde und umkippte. Da die Haube seines Fahrzeuges aber verklebt war, konnte er sich nicht selbst befreien und da niemand mehr auf der Strecke war, dauerte es 8 Minuten, bis jemand ihn aus seiner misslichen Lage half – das kann einem schon wie eine Ewigkeit vorkommen.

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Da die für mich besonders interessanten Langstrecken-Wettbewerbe gelaufen waren und ich meinen Zug in die Heide auf gar keinen Fall verpassen wollte, verabschiedete ich mich und machte mich auf den Heimweg. Wie ich später erfuhr, gab es dann doch noch einen neuen Rekord über 200 m, wenn auch „nur“ einen neuen russischen. Den verbesserte Sergey nämlich noch von 75 auf 79,6 km/h.

Irgendwie eine faszinierende Welt. Man muss sich einmal vor Augen halten, dass die Teilnehmer praktisch alle normale Berufstätige sind, die enorm viel Energie und auch (privates) Geld in ihre Fahrmaschinen und das Training stecken. Schön, wenn es dann eine Möglichkeit gibt, das enorme Potential auch einmal, wie hier auf dem Dekra-Testoval, auszunutzen. Hoffentlich ist das auch noch in den nächsten Jahren der Fall. Ich würde mich jedenfalls freuen, nochmals dabei sein zu können, gerne auch als Helfer.

Nun ja, zu Hause angekommen, meinte meine Frau allerdings, dass diese Mobile doch nur hässlich wären und nichts mehr mit einem Fahrrad zu tun hätten – haben sie ja auch nicht, es sind einfach hocheffiziente pedalgetriebene Fahrmaschinen, und gerade deshalb so faszinierend. Meine offenbar leicht erkennbare Begeisterung speziell für den Milan SL quittierte sie denn auch mit der Anmerkung, dass, bevor noch ein Fahrzeug auf den Hof kommt, erst einmal Platz geschaffen werden muss.
Als ob ich jemals mit dem Gedanken gespielt hätte!

Braucht vielleicht noch jemand ein selten gefahrenes Zeitfahrrad? ;)
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Beitragvon Speedmanager » 03.08.2012, 17:18

Hier noch ein paar Berichte der Protagonisten:

des HPV als Veranstalter,

von Charles Henry.

Außerdem noch ein paar Bilder auf droplimits.

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